Was ist Gewaltfreie Kommunikation und warum verbessert sie dein Leben?

Du bist einfach zu wenig konsequent! 

Du musst die Zügel straffer anziehen!

Du bist unfair!

 

Bekommst du solche Aussagen auch zu hören? Bist du froh um solche Rückmeldungen?

 

In diesem Artikel erläutere ich erstens, weshalb du solche Rückmeldungen nicht gerne hast. Zweitens beschreibe ich, wie die Gewaltfreie Kommunikation gänzlich ohne solche Aussagen auskommt.

Was niemand hören will

Folgende Sätze hört niemand gerne:

  • Das Problem bei dir ist, dass du …
  • Du bist zu …
  • Das stimmt doch gar nicht!
  • Du musst dich doch nicht ärgern!
  • Jeden Tag höre ich dasselbe von dir!
  • Du würdest besser mal …
  • Du machst das nur, weil du mich ärgern willst!

Welche Botschaft steht hinter diesen Aussagen?

Aussage Botschaft
 Das Problem bei dir ist, dass du ... Du bist nicht OK, wie du bist.
Du bist zu ... (sensibel, egoistisch, chaotisch, etc.) Du bist nicht OK, wie du bist.
Das stimmt doch gar nicht! Du hast nicht recht. Oder: Du lügst. 
Du musst dich doch nicht ärgern! Es ist nicht OK, sich so zu fühlen, wie du dich jetzt fühlst.
Jeden höre höre ich dasselbe von dir! Es ist nicht OK, was du machst und du bist nicht OK, wie du bist.
Du würdest besser mal ... Du bist nicht OK, wie du bist. Du solltest anders sein.
Du machst das nur, weil du mich ärgern willst! Du hast böse/schlechte Absichten.

Was verbindet diese Aussagen?

  1. Eine Denkweise, die moralisches Urteilen bezüglich richtig/falsch sowie gut/böse oder gut/schlecht beinhaltet.
  2. Der Glaube, dass wir wissen können:
  • was andere denken, fühlen oder beabsichtigen
  • wie andere funktionieren und vor allem
  • wie andere sein sollten.

Und was ist jetzt das Problem?

Nimm dir bitte jetzt gleich zwei Minuten Zeit und überlege: Was lösen solche Aussagen bei dir aus?

 

Fertig? Dann lies jetzt weiter:

 

Moralische Urteile über richtig/falsch sowie gut/böse oder gut/schlecht haben folgende Auswirkungen:

 

1. Verlust der Gleichwertigkeit und damit Augenhöhe

Sobald jemand sagt: Ich habe Recht, du liegst falsch. Oder: Ich weiss, wie es richtig ist. Stellt sich diese Person über dich. Meistens reagieren wir in einer dieser beiden Arten:

  • Ich ärgere mich, werde wütend und verteidige mich. Zum Beispiel sage ich: Du musst mir gerade so etwas sagen. Dabei hast doch du …!
  • Ich stimme der anderen Person in ihrem Urteil zu. Dann schäme ich mich oder ich fühle mich schuldig oder ich fühle mich hilflos.

Hat Scham, Schuld oder Ärger schon einmal dazu geführt, dass du echt und freudig motiviert warst, mit jemandem zu kooperieren? Vermutlich nicht.

 

2. Förderung von Widerstand

Die Gefühle von Scham, Schuld und Ärger lösen immer Widerstand aus. Wenn du häufiger Auslöser von Scham- und Schulgefühlen bist, wird niemand gerne mit dir zusammenarbeiten oder mit dir zusammensein wollen.

 

3. Förderung des Lusterlebens bei Gewalt

Magst du gerne Actionfilme? Eine klassische Geschichte geht das so: Die Familie des Helden wird von den Bösen entführt oder getötet. Dann rächt sich der Held an allen, die auf der Seite der Bösen sind. Dabei verletzt der Held viele Menschen und er bringt viele Menschen um - am Schluss den schlimmsten Bösewicht hinter der Entführung seiner Familie.

Und wie ist das für dich? Empfindest du nicht auch bei jedem Toten auf der Seite der Bösen Genugtuung? Denkst du nicht: Die haben es verdient!

Die Kategorisierung von anderen als böse oder schlechte Menschen ist Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt dazu im Stande sind, ihnen absichtlich und lustvoll Leid zuzufügen. Wenn wir andere Menschen als wirklich gleichwertig ansehen, werden wir nach anderen Lösungen für unsere Probleme suchen, als sie zu verletzen oder zu töten.

Was, wenn nicht richtig/falsch oder gut/böse?

Soll ich denn das gut finden, wenn einer jemanden entführt? Soll ich einfach gar nicht reagieren?

Natürlich nicht. Aber wie soll ich reagieren? Was soll ich tun?

Gewaltfreie Kommunikation in einem Beispiel

Nehmen wir ein für unser leben realistischeres Beispiel eines Konfliktes: Francesco arbeitet seit drei Jahren in derselben Firma. Er arbeitet sehr viel und er erledigt vor allem auch Arbeiten, die sonst von besser bezahlten Mitarbeitenden erledigt werden. Er schreibt seiner Vorgesetzten Mirjam eine Email und bittet sie um eine Lohnerhöhung. Sie sagt nein. Nun schauen wir uns die Situation mit der "Brille" der Gewaltfreien Kommunikation an. Auf der Seite von Francesco sieht es so aus:

  1. Was ist geschehen? (Beobachtung)
    Francesco hat Mirjam geschrieben: «Ich habe im letzten Jahr viele Arbeiten erledigt, die sonst von den besser bezahlten Mitarbeitenden gemacht werden. Darum möchte ich gerne eine Lohnerhöhung.»
    Mirjam hat geantwortet: «Ich verstehe dein Anliegen. Eine Lohnerhöhung ist leider nicht möglich.»
  2. Wie fühlt sich das Francesco?
    Francesco ist irritiert, verletzt und frustriert.
  3. Um welche Bedürfnisse geht es Francesco?
    Francesco möchte gerne verstehen (Bedürfnis nach Verstehen oder Klarheit), wieso eine Lohnerhöhung nicht möglich ist. Zudem möchte er gerne, dass gesehen wird, wie sehr er sich für den Betrieb einsetzt und wie gut die Arbeit ist, die er leistet (Bedürfnis, gesehen zu werden).
  4. Welche Bitte hat Francesco?
    Francesco möchte Mirjam in einem Gespräch einerseits sagen, was er braucht (gesehen werden) und sie bitten, ihm zu erklären, weshalb eine Lohnerhöhung nicht möglich ist (um Klarheit zu erhalten).

Auf der Seite von Mirjam sieht es so aus:

  1. Was ist geschehen? (Beobachtung)
    Mirjam hat eine Email von Francesco mit diesem Text erhalten: «Ich habe im letzten Jahr viele Arbeiten erledigt, die sonst von den besser bezahlten Mitarbeitenden gemacht werden. Darum möchte ich gerne eine Lohnerhöhung.»
  2. Wie fühlt sich Mirjam?
    Mirjam ist unter Druck, irritiert und frustriert.
  3. Um welche Bedürfnisse geht es Mirjam?
    Der Betrieb muss sparen, um nicht in die roten Zahlen zu rutschen. Deshalb ist Miriam ein achtsamer Umgang mit den finanziellen Ressourcen wichtig (Bedürfnis nach einem achtsamen Umgang mit Ressourcen). Zudem hat Francesco für seine Qualifikation bereits einen sehr hohen Lohn und sie hat ihm bei der Übernahme der neuen Aufgaben gesagt, dass er keine Lohnerhöhung erhalten werde und er war damit einverstanden. Mirjam möchte sich gerne darauf verlassen können, dass Abmachungen eingehalten werden (Bedürfnis nach Verlässlichkeit).
  4. Welche Lösung schlägt Mirjam vor? (Bitte)
    Mirjam schreibt ihm kurz und knappt, dass er keine Lohnerhöhung bekommt.

Stell dir jetzt vor, es kommt nach dieser Klärung auf beiden Seiten zu einer Aussprache zwischen Francesco und Mirjam. Beide sprechen die oben erwähnten Schritte aus. Da stehen die Chancen gut, dass für beide eine Lösung gefunden wird, auch wenn dies vielleicht nicht über eine Lohnerhöhung geht. Was meinst du?

 

Wie Irritationen und Konflikte mit der Gewaltfreien Kommunikation angesprochen werden können, erfährst du hier.

 

Und fällt es dir auf? Es geht nicht darum, wer recht hat oder schuldig ist. Es geht um die Bedürfnisse, die durch bestimmte Handlungen zu kurz gekommen sind. Genau da setzt die Gewaltfreie Kommunikation an. Gewaltfreie Kommunikation heisst: Eine Kommunikation, die vollkommen auf die Kategorien von moralisch richtig/falsch oder gut/böse verzichtet und statt dessen auf die Bedürfnisse fokussiert, die alle Menschen haben. Das Konzept wurde entwickeln von Marshall B. Rosenberg, einem amerikanischen Psychologen.

 

Falls du mehr zum ersten, wichtigen Schritt der Beobachtung erfahren möchtest, findest du unter diesem Link einen Beitrag mit Video.