Konflikte können nur MIT Gefühlen gelöst werden

Wenn du dich über das Verhalten anderer Personen ärgerst und weisst, dass du ihnen nicht einfach ausweichen kannst: Was tust du? Ignorierst du deine Gefühle und versuchst du, sachlich zu bleiben? Funktioniert das?

Wenn der Konflikt nur klein ist und sich keine weiteren Vorfälle ereignen, mag das gehen. Wenn der Konflikt aber bereits gross ist oder wenn es immer wieder zu Vorfällen kommt, welche den Konflikt befeuern, dann wird das kaum funktionieren.

 

«Es geht darum, dass wir sachlich bleiben und dann eine Lösung finden.»

Diese Aussage höre ich von Führungspersonen oft. Ergänzt wird diese Aussage häufig mit dem Hinweis, dass professionelles Verhalten in Konfliktsituationen vor allem heisse, sachlich zu bleiben. Das stimmt doch nicht! Unsere Erfahrung würde uns ja eigentlich zeigen, dass wir mit der Strategie des "sachlich bleiben" meistens scheitern. Wie oft hast du schon versucht, sachlich zu bleiben, bist dann aber trotzdem so richtig wütend und laut geworden? Oder du warst plötzlich so verletzt, dass du gar nichts mehr sagen konntest?

Wieso sind unsere Gefühle so wichtig?

Wir meinen eigentlich, wir würden uns selber und hauptsächlich über unsere Gedanken steuern. Das stimmt nur für wenige Momente in unserem Leben. Gefühle sind unsere geheimen Steuerelemente und sie lenken unser Verhalten während der meisten Zeit, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Sie sind stärker als fast jedes vernünftige Argument und laufen viel schneller ab als wir bewusst denken können. Hier ein Beispiel:

Wie gewinnt man Abstimmungen? Mit harten Fakten und logischen Argumenten? Leider nein. Abstimmungen werden gewonnen durch das Aufgreifen und Entfachen von Gefühlen. Magst du dich an die Minarett-Initiative erinnern? Waren Minarette für dich vor dieser Abstimmung irgendwann ein Problem? Wenn nicht, dann geht es dir so wie vermutlich 99% der Schweizer*innen. Und trotzdem haben über 57% der Wählenden damals für ein Verbot von Minaretten gestimmt. Es gab viele logische Argumente, weshalb ein Verbot wenig zielführend ist und trotzdem wurde die Initiative angenommen. Die Argumente, die für eine Annahme sprachen, waren zu einem grossen Teil aus der Luft gegriffen und haltlos. Also haben nicht die Fakten hinter den Argumenten die Abstimmung entschieden sondern die Gefühle, welche mit den Argumenten verbunden waren: Angst vor extremistischen Muslimen und Terroranschlägen. Angst vor dem Gefühl der Fremdheit im eigenen Land, wenn bald in jedem Dorf der Muezzin vom Minarett ruft. Angst davor, als Christ*in bald in der Minderzahl zu sein. Und so weiter.

Unsere Gefühle zeigen uns an, was wir brauchen

Wenn die Gefühle genügend stark sind, setzen wir uns auch über vernünftige Argumente hinweg. Dies ist nicht per se ein Problem, sondern nur, wenn wir nicht klären, auf was uns unsere Gefühle hinweisen: Unsere Gefühle zeigen an, ob und welche Bedürfnisse erfüllt oder nicht erfüllt sind. Wenn ich denke, dass ich mich bald fremd im eigenen Land fühlen werde, dann macht mir das Angst. Die Angst deutet auf mein Bedürfnis nach Sicherheit hin. Ich möchte mich in meinem Land, meinem Haus, meinem Dorf usw. sicher fühlen. Alle Menschen möchten sich sicher fühlen.

In einer erfolgreichen Abstimmungskampagne gelingt es mir, den Leuten Angst vor etwas zu machen (z.B. Minaretten) und sie gleichzeitig davon zu überzeugen, dass, wenn sie so stimmen, wie ich das möchte, sich für sie etwas verbessern wird (und sie weniger oder keine Angst mehr haben müssen).

Wenn ich Hunger habe (Hungergefühl), zeigt mir dies, dass mein Bedürfnis nach Nahrung nicht gestillt ist und ich weiss, was ich tun kann. Wenn ich mich verletzt fühle, nachdem niemand auf meine Bitte in einem Email reagiert hat, dann zeigt mir dies, dass mein Bedürfnis nach Gehört-werden und/oder Unterstützung und/oder Wissen-woran-ich-bin nicht erfüllt ist. 

Unsere Bedürfnisse sind das, worum sich unser ganzes Leben dreht: Nahrung, Erholung, Lernen und Entwicklung, Klarheit, Selbständigkeit, Akzeptanz, Gehört-werden, Bewegung, Sinn, Zeit sinnvoll nutzen, usw. Alles was wir tun, tun wir, um zur Erfüllung von Bedürfnissen beizutragen. Allerdings führt lange nicht alles, was wir tun, auch wirklich zur Erfüllung des entsprechenden Bedürfnisses. Oder hilft dir die Schokolade oder das Bier nach einem Streit wirklich, wenn dein Bedürfnis nach Gehört-werden, Akzeptanz oder Harmonie nicht erfüllt ist?

Das Gefühl und das dahinterliegende Bedürfnis erkennen

Wie können wir nun im professionellen Kontext so mit unseren Gefühlen umgehen, dass wir sie berücksichtigen, ohne sentimental oder theatralisch zu erscheinen?

 

Erstens: Ich muss die verschiedenen Gefühle kennen und sie wahrnehmen. 

  • Ich fühle mich müde! 
  • Jetzt bin ich überrascht und verwirrt! 
  • Ich bin irritiert. (Zum Beispiel in einer Konfliktsituation).

Zweitens: Ich muss herausfinden, auf welche Bedürfnisse meine Gefühle hinweisen: 

  • Ich brauche Erholung! 
  • Ich möchte gerne verstehen und brauche Klarheit! 
  • Mir ist ein wertschätzender Umgang wichtig!

Drittens: Jetzt kann ich mich entscheiden, was ich tue: Spreche ich das jemandem gegenüber an oder kann ich selber handeln? 

  • Ich kann schauen, wann ich schlafen oder mich ausruhen kann. 
  • Wenn ich daran denke, was du vorhin gesagt hast, bin ich überrascht und verwirrt und ich brauche Klarheit. Kannst du mir sagen, was du mit XY genau gemeint hast?
  • Wenn ich höre, dass du Frau Meier als hinterhältige Sau bezeichnest, bin ich irritiert, weil mir ein wertschätzender Umgang wichtig ist. Wie ist das für dich, wenn du das von mir hörst?

Und was hat dies mit Konflikten zu tun?

In Konflikten geht es immer darum, Bedürfnisse zu erkennen und anschliessend zu schauen, wer was dazu beitragen kann, dass diese erfüllt werden. Dies heisst nicht, dass die Führungsperson verantwortlich für die Erfüllung der Bedürfnisse der Mitarbeitenden ist. Es ist so, dass alle selber dafür verantwortlich sind, für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse zu sorgen. Aber erst wenn wir voneinander wissen, was wir brauchen, können wir prüfen, ob und was wir zur Erfüllung unserer eigenen Bedürfnisse und der Bedürfnisse anderer beitragen können.

Damit lernst du deine Gefühle und Bedürfnisse besser kennen

Mit der Sammlung von Gefühlen und Bedürfnissen, die du hier kostenlos herunterladen kannst, hast du ein Instrument, das dir unauffällig hilft, deine Gefühle und deine Bedürfnisse erkennen zu können.

Jetzt die Karte mit Gefühls- und  Bedürfniswörtern herunterladen

Bist du als Führungsperson tätig?